Ich mochte Linzertorte noch nie. Zu trocken, zu süss; einfach was für Menschen, meist Männer, auf Zuckerentzug. Ich schliesse mich einer Aussage auf dem Blog „Anonyme Köche“ an: „Sie wirkt wie die karierte Tischdecke in Omas Küche. Altbacken. Aber unzerstörbar. Und sie ist nahrhaft. Ein grosszügiges Stück davon ersetzt eine komplette Mahlzeit.“ Das schrieb Claudio vor laaanger Zeit mal.
Und dann, dann stand plötzlich die Frage im Facebook-Raum und machte die Runde: „Hat jemand ein gutes Linzertorten-Rezept?“ Facebook sei Dank, ja, es gibt eines, aber ein echter Linzer würde abwinken, das Rezept ist vermutlich zu weit weg vom Original. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, wurde in den letzten Tagen Linzertorte gebacken. Schuld an der ganzen Sache ist eigentlich Claudio Principe. Er hatte anno domini 2007 (!) mal Andeutungen über sein (sorry, Gotti Ernas) Linzertortenrezept gemacht. Irgendwie konnten die Kommentatoren dann doch noch genauere Angaben aus Claudio rauskitzeln. Und nun, fast 11 Jahre später, sollte seine Frau doch noch Recht behalten: Die ganze Welt backt diese Torte nach. Merke Claudio, Frauen behalten immer Recht, oder so ähnlich!
Langer Rede kurzer Sinn: Ich empfehle Euch, sie nachzubacken. Sie ist immer noch süss, aber nicht so fürchterlich wie befürchtet; und hei, ich habe dafür sogar von Konditorentöchtern, die mich gewarnt hatten, ein Kompliment erhalten. Danke Claudio, nach einigen Backfrustrationen der Sauerteig-Art, bin ich derzeit empfänglich für jegliches Backlob. Das hast Du mir beschert!
Zuger Variante
Ganz unten, hinter Claudios Foto von Gotti Ernas Linzertorte, findet Ihr das PDF zu Claudios Rezept. Der Fairness halber und auch, weil er es verdient. Ehre wem Ehre gebührt! Ohne dieses grandiose Basis-Rezept wäre mir meine „Linzertorte nach Zuger Art“ nie gelungen und ich würde im Bekanntenkreis nicht als neue Königin der Linzertorte gefeiert. Die Zugerin in mir ist jedoch seinem Rezept untreu geworden. Denn ich habe mir in den Kopf gesetzt, endlich mal etwas Eigenes für die Zuger Kirschensaison zu kreieren. Sozusagen mit Diplom, also mit Linzertortenbackdiplom, das ist jetzt Diplombacken (dann habe ich mal was Eigenes… frei nach Loriot).
Klar, Claudio ist auch hier schuld, denn der Auslöser für die Spielerei war sein erwähnter „Gutsch Kirsch“ im Teig. Was nach Zuger Art zubereitet ist, sollte mindestens Kirsch oder Kirschen aufweisen. (Ok, es gibt Ausnahmen, z.B. die Röteli nach Zuger Art). Meine Linzertorte tut beides. Und jetzt mag ich sie auch, denn die Sauerkirschkonfitüre tut genau das, was die Johannisbeerkonfitüre im Originalrezept auch tut, nämlich gut. Will heissen, der säuerliche Geschmack nimmt etwas von der Süsse und wirkt apart, frisch. Mit Himbeerkonfitüre erschien mir, in Kombination mit dem süssen Teig, die Torte dann doch etwas gar üppig (wie die der meisten Schweizer Bäckereien).
Vier grundsätzliche Bemerkungen
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Im Linzer Originalrezept wird eine Bodendicke von 1.5 cm angegeben. Das ist für unseren Geschmack zu dick. 8mm – 1 cm reichen durchaus auch, wie in Claudios Rezept! Wer extrem gerne wirklich guten Teig mag, bleibt bei der etwas dickeren Variante.
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Das Gittermuster könnte man mit einem entsprechenden Gerät aus Linz produzieren, sprich ausstechen. Wer das nicht hat, schneidet Streifen oder rädelt Streifen, wie Claudio. Wer sich an den doppellagigen Knotenpunkten stört, der bastelt… Auf dem Titelfoto erkennt man durchaus den entwicklungstechnischen Fortschritt der Bäckerin: rechts 1. Versuch, links 2. Versuch.
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Ich habe es erkannt: Ich kann Torten und Kuchen backen – manchmal sogar sehr gut. Aber Confiseur oder feinste Dekostreifenproduzentin spielen, das liegt mir nicht. Also, Ihr schweigt diesbezüglich besser: „No comment“ passt am besten. Natürlich nicht, was das Backwerk an sich anbelangt, da freu‘ ich mich.
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Man könnte sich daran gewöhnen, regelmässig eine Torte zu backen…
========== REZKONV-Rezept – RezkonvSuite v1.4
Titel: Linzertorte nach Zuger Art
Kategorien: Backen, süss, Kuchen, Cocolino, Vorrat
Menge: 1 Kuchen- oder Springform 26-28 cm oder 2 x 20 cm
============================= TEIG =============================
300 Gramm Mandelstifte oder geriebene Mandeln
250 Gramm Butter, zimmerwarm
300 Gramm Zucker
300 Gramm Weissmehl
15 Gramm Backpulver
1 Ei, verquirlt
1 Zitrone, Schale, gerieben
5 ml Zitronensaft
1 Teel. Lebkuchenmischung
1 Essl. Vanillezucker
30 ml Zuger Kirsch (plus 30 ml Zuger Kirsch für die Bäckerin)
============================= BELAG =============================
300-350 Gramm Sauerkirschkonfitüre, nicht zu stückig, eher püriert
1 Teel. Zuger Kirsch
============================= DEKOR =============================
1-2 Eigelb
5 ml Rahm oder Kaffeerahm mit einer Prise Zucker
1 Handvoll Mandelblättchen (ungeröstet)
============================ QUELLE ============================
Ma façon, frei nach Claudio Principe
— Erfasst *RK* 09.05.2018 von
— Marie-Isabelle Bill
Die Mandelstifte trocken rösten; auf keinen Fall zu dunkel werden lassen. Abkühlen und im Foodprozessor zu geriebenen Mandeln verarbeiten. Oder die geriebenen Mandeln rösten (auch hier vorsichtig, es geht sehr schnell). Abkühlen lassen und beiseite stellen.
Teig:
Butter mit Zucker schaumig rühren. Mehl mit Backpulver vermischen und zur Butter sieben; anschliessend die gerösteten, geriebenen Mandeln einstreuen. Nun Ei, Zitronensaft und -schale, Lebkuchenmischung, Vanillezucker und Kirsch unterheben und gut durchkneten. Zu einer Teig-Kugel formen, in Folie wickeln, 1-2 Std. oder über Nacht kalt stellen.
Formen und Backen:
Die Kuchenblech(e) mit Backpapier auslegen (bei Springform auch den Rand bedenken).
Drei Viertel des Teiges ca. 8 mm dick ausrollen, in die Form(en) legen. Den Rand mit Teig-streifen auslegen, andrücken und den Teigboden mit einer Gabel ein paar Mal einstechen. Dann die Konfitüre mit dem Kirsch gut verrühren und gleichmässig dick aufstreichen.
Den restlichen Teig fein auswallen, in gleichmässig breite Streifen rädern/schneiden und gitterförmig über die Konfitüre legen.
Varianten: a) Teig zu feinen Rollen formen und als Gitter und Rand auf die Konfitüre auflegen. b) Teig fein auswallen, mit Formen ausstechen und diese auf die Konfitüre legen (z.B. Herzen zum Valentinstag, Blumen, Sternchen o.ä.)
Eigelb und Kaffeerahm gut miteinander aufschlagen, die Prise Zucker unterrühren.
Das Teigdekor, resp. alle Teigteile (auch den Rand) der Torte mit der Eigelbmischung bestreichen und den Rand mit Mandelblättchen belegen.
40-45 Minuten bei ca. 180 Grad Ober- und Unterhitze (nicht Umluft) auf der zweituntersten Rille backen. Der Kuchen sollte nicht zu hell sein! In der Form auskühlen lassen.
Warten:
Den ausgekühlten Kuchen (in der Form) gut verpackt und vor lüsternen Mitmenschen versteckt, mindestens 2 Tage, gerne auch 1 Woche o. länger ruhen lassen. (Könnte ein Problem geben…).
Anmerkungen:
Claudio: Dunkler ist sie besser als zu hell.
Billi: Ein Männergebäck. Schmeckt wunderbar süss, fein und fruchtig; das passt mir besser mit Mandeln als mit Haselnüssen. Zu Ehren des Kantons Zug mit selbstgemachter Sauerkirsch-konfitüre bestrichen. Himbeerkonfitüre ist uns zu süss.
Cocolino: Für Kinder ohne Kirsch in der Konfitüre zubereiten
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Im Übrigen ist Linzertortenbacken fast schon gesundheitsfördernd; ich spreche vom Backen und Warten, nicht vom Essen, denn Geduld ist gefragt: mind. 2 Tage hat sie nach dem Backen zu ruhen, besser 4-6 Tage, es lohnt sich. Sich in Geduld zu üben ist mental ungemein förderlich.